Presse


WESER KURIER BREMEN - 12.01.2023

Die Welt ist ein Septembertag

Lyrik im west-östlichen Dialog

Mit Gedichten von Inge Buck und Madjid Mohit

 

Sujet Verlag, Herbst 2022

 

Zwei Lyrikstimmen im poetischen Dialog: Gedichte und Schriftzeichen auf Deutsch und auf Persisch von Inge Buck und Madjid Mohit.

In der Anthologie „Die Welt ist ein Septembertag“ werden alle Gedichte in Text und Schrift zweisprachig vorgestellt. In Gesprächen über Bilder,

Worte und Geschichten wurden die Gedichte im poetischen Austausch in die jeweils andere Sprache übertragen, die deutschsprachigen Gedichte ins Persische, die persischen Gedichte ins Deutsche.

 

Neben den sprachlichen Übertragungen korrespondieren die Gedichte von Inge Buck und Madjid Mohit auch noch auf einer zweiten Ebene. In der Gegenüberstellung der Gedichte begegnen sich auf besondere Weise lyrische Muster. Es sind unter anderem Motive zu Zeit, Angst und Traum, zu Augenblick, Ferne und Freiheit die sich auf den Seiten des Gedichtbandes zweisprachig gegenüberstehen.

 

Der lyrische Dialog zwischen den Gedichten von Madjid Mohit und Inge Buck steht zugleich in einem Spannungsfeld zwischen westlicher und östlicher Welt, zwischen Fremdheit und Vertrautheit, Nähe und Ferne, konnotiert von den eigenen kulturellen und biografischen Erfahrungen. Ein Abenteuer der Begegnung in Wort, Text und Schrift.

 

"Jahre verweht/vergessen/wie Zeit/die nie gewesen“ schreibt Inge Buck

und auf der gegenüberliegenden Seite antwortet Madjid Mohit

"Immer suche ich / die abgetragenen Schuhe/In der Tasche der Zeit versteckt."


WESER KURIER BREMEN -  05. 11. 2022

TIPPS ZUM WOCHENENDE

Lyrik aus Bremen im Doppelpack

von Alexandra Knief

 

Mit dem Lyrikband  „Die Welt ist ein Septembertag“ bringt der Bremer Sujet Verlag deutsche und persische Gedichte in einen Dialog .

Geschrieben haben sie die Autoren Inge Buck und Madjid Mohit, teils auf Deutsch, teils auf Persisch, übertragen in die jeweils andere Sprache. Mohit, iranisch-deutscher Autor und Gründer des Sujet-Verlages, wurde in Teheran geboren und lebt seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland.

Inge Buck wurde in Tübingen geboren und  ist seit vielen Jahren in Bremen zu Hause. Somit begeben sich die Gedichte, die sich um Themen wie Zeit, Angst und Traum, um Freiheit und Ferne drehen, auch in einen kulturellen Dialog zwischen westlicher und östlicher Welt. Oder, wie der Verlag selbst es beschreibt,  auf „ein Abenteuer der Begegnung in Wort, Text und Schrift.“

 

Am Donnerstag 10. November in der Buchhandlung Leuwer Am Wall 171, ab 19 Uhr, die Buchpremiere der Anthologie gefeiert. Der Eintritt ist frei.


KULTUR.NETZ.

Kulturzeitschrift  des VS  Niedersachsen / Bremen

Heft 3, 2020

Eva Korhammer

 

DER UNSICHTBARE GEGNER

 

Inge Buck:

„Lieber sterbe ich, als nicht zu küssen“. Corona Tagebuch.

Mit Zeichnungen von Gunther Gerlach.

Sujet Verlag, Bremen 2020

 

Von Autor*innen, die im Leben stehen, wird er fast erwartet, ihr Beitrag zu der Pandemie, die unsere Gegenwart bestimmt. Dass auch Inge Buck hellhörig geworden ist, verwundert nicht, überschreitet sie doch schon lange mit ihren Texten Grenzen und bietet Ansätze für Verständigung.

Corona Tagebuch steht denn auch über Inge Bucks jüngstem Werk, und sein aus dem Französischen zitierter Titel verrät schon etwas von ihrer persönlichen Einstellung : Lieber sterbe ich, als nicht zu küssen.  

 

Der Titel mag Inge Buck erst bei der Arbeit gekommen sein, hat sie doch nur ganz für sich selbst im Februar mit den Tagebuch-Einträgen begonnen, mit dem Einsammeln von Wortfetzen, Stimmungen, Beobachtungen zur Pandemie, uns allen in dieser Zeit zu Ohren und Augen gekommen. Als sie unsicher wird über Sinn und Qualität, lässt sie einen Freund mitlesen, und der bestärkt sie, – zum Glück! – weiter zu machen.

So verpflichtet, bezieht die Autorin mehr Quellen ein, telefoniert, recherchiert, teilt den Menschen, die sie in ihrer Wahlstadt Bremen (noch!) regelmäßig trifft. Plätze im Tagebuchblatt zu. Entdeckt hypochondrische Züge an sich. Ärgert sich über vergebliches Warten auf-die-Leipziger-Buchmesse. Stärkt sich an wiederentdeckten oder ohnehin präsenten, literarisch ähnlich Gesinnten, wie etwa Doris Lessing.

 

Inge Bucks Tagebuchblätter enden „schon“ um Ostern, dem für uns eigentlich menschennahen und singfreudigen Fest. Eigentlich nur ein kleiner Packen Blätter, neben dem man sich inzwischen einen wachsenden Berg denken muss, dessen Gipfel keiner kennt. Vielleicht werden deshalb die Gedanken und Beobachtungen von Inge Buck, mit ihrem gewissen Gleichmaß aus frühlinghaftem Alltag und immanent verletzlichen Corona-Meldungen so etwas wie eine hilfreiche Geste.

 

„Im Individuellsten wird das Allgemeine sichtbar“, teilt uns Adorno mit. Er hätte Inge Bucks persönlich gefertigte Rüstung gegen einen unsichtbaren Feind zu schätzen, womöglich zu nutzen gewusst.

Übrigens auch die kongenialen Vignetten von Gunther Gerlach, aus seinem Pinsel geflossene Zeit-Symbole, die sich nach der Ruhe asiatischer Formen zurücksehnen.

„Es gibt nichts Nennenswertes zu tun“, meint am Schluss Inge Buck vor der Kulisse einer still gewordenen Stadt. Ich meine, da widerspricht sie sich ausnahmsweise einmal selbst!

 

In: KULTUR.NETZ.

Kulturzeitschrift  des VS  Niedersachsen / Bremen

Eva Korhammer


WESER KURIER BREMEN - 20.08.2020


WESER KURIER BREMEN - 01.07.2019


WESER KURIER BREMEN - 16.05.2019


WESER KURIER BREMEN - 21.06.2018

Inge Bucks "Prager Tagebuch"

Gerald Weßel

 

 

Wie entstand das kürzlich erschienene Prager Tagebuch?

Inge Buck: Genau vor einem Jahr bekam ich eine Einladung sowie ein Stipendium für das Prager Literaturhaus. Das ist ein Austausch zwischen Prag, Bremen, Hamburg sowie einigen anderen Städten. Er richtet sich speziell an Künstler und Literaten, womit das Programm an die Prager Kultur vor dem Ersten Weltkrieg anknüpft. Damals herrschte eine sehr rege Kooperation zwischen Christen und Juden, Deutschen und Tschechen quer durch alle Gesellschaftsschichten. Für das Stipendium bestand allerdings die Auflage, einen Online-Blog zu schreiben, um die Reise zu begleiten. Dieser bildet die Grundlage für das Buch, auf das mich mein Verleger brachte.

 

Wie kam es zu den Zeichnungen?

Mein Verleger Madjid Mohit vom Sujet Verlag schaute sich das Manuskript an und kam da auf die Idee, es dem ihm bekannten Künstler Günther Gerlach zu zeigen. Ich kannte ihn bis dahin gar nicht. Er ist ein Bremer Künstler, hauptsächlich Bildhauerei und Malerei. Ich stimmte aber zu, da es nach einer tollen Idee klang, das Buch von einem Künstler illustrieren zu lassen und so schickte mein Verleger den Text zu Günther und dieser illustrierte mein Buch dann kongenial mit Pinselzeichnungen. Er hat Prag bildlich aus meinem Text zum Leben erweckt.

 

Was finden Sie von sich, ihrer Reise und Prag in seinen Zeichnungen wieder?

Er hat die Bewegung, das Wandern durch die Stadt eingefangen. Er hat das Vorübergehende, mit seinen Pinselzeichnungen, in schwarz-weiß auf Papier gebannt. Es ist das Beiläufige, das Improvisierte, das Unterwegs-Sein, das ich überall wiederentdecke. Daneben sind überall Andeutungen zu finden: Vom Fluss, von Brücken und es hat immer wieder auch etwas witziges. Der Leser und Zuschauer wird immer mal wieder überrascht. Er hat das wirklich toll gemacht, so toll, dass mich Leute fragen, ob wir zusammen in Prag gewesen sind. Dabei hatte er wirklich nur das Manuskript, nichts weiter.

 

In der Ausstellung sind also vor allem seine Zeichnungen zu sehen?

Ja, hauptsächlich die Zeichnungen Günther Gerlachs in Originalgröße. Zudem stellt er noch einige seiner anderen Arbeiten aus. Doch auf seine Idee hin, habe ich noch einige Passagen aus dem Tagebuch kopiert und zu den entsprechenden Zeichnungen gehängt- eine schöne Idee.

 

Sind Sie bereits zuvor in Prag gewesen?

Ja, ich war schon zuvor einmal in Prag, und zwar mit einer Reisegruppe. Doch in der Gruppe konnte ich mir Prag gar nicht erschließen und deswegen habe ich mich schnell von der Gruppe  getrennt und mir Prag alleine angeschaut. Das ist aber schon einige Jahre her. Aber dieses Mal war ich auch nicht als Touristin unterwegs. Ich hatte auch eine wunderschöne Stipendiaten-Wohnung direkt in der Innenstadt an der Moldau. Das war ein sehr schöner, ruhiger Ausgangspunkt. Von hier habe ich täglich den Alltag in der Altstadt beobachtet und vielfältige Spaziergänge unternommen. Dabei habe ich mir aber mein eigenes Programm gemacht und längst nicht alle klassischen Highlights der goldenen Stadt gesehen. Es gibt genug glanzvolle Bücher über Prag, ich wollte Lyrik schreiben, über die Stadt schreiben. Ruhig und schön.

 

Was haben sie als Seele von Prag für sich entdeckt?

Wunderbare Frage! Sicher die Moldau, das sind aber auch die Straßenzüge und die Häuserfassaden, einfach wunderbar gestaltete Jugendstilhäuser. Es gibt keine glatten Fassaden, alles ist geschmückt und gestaltet. Die Seele von Prag ist die Schönheit dieser Stadt und natürlich auch die Vielschichtigkeit und Geschichte. Man spürt überall die Geschichte dieser Stadt.

 

Haben Bremen und Prag Gemeinsamkeiten?

Nein, nicht wirklich. Sie sind beide vollkommen unterschiedlich. Die eine ist eine eher nüchterne, protestantische Kaufmannsstadt, die ihre Straßen nach Bürgermeistern benennt und die andere ist eine katholisch, barocke Stadt, in der die Straßen die Namen von Künstlern, Literaten und Musikern tragen. Prag zeichnet sich auch durch eine historische Urbanität aus, die Bremen in der Form nicht hat.

 

Hört sich nicht gerade schmeichelhaft für Bremen an...

...ich lebe sehr gerne hier. Aber Prag erinnert mich sehr an Wien, wo ich studiert habe. Die beiden Städte teilen sich auch einiges, zum Beispiel die Musik. Aber die verbindet sogar auch Bremen mit Prag. Ja, genau: Musik! Das ist eine Gemeinsamkeit. Auch Bremen hat eine sehr gut ausgebildete, vielgestaltige Musikkultur. Anders im Stil als Prag, aber von der Qualität her höchst beachtlich.

 

                                                                Das Gespräch führte Gerald Weßel

 

Inge Buck,

82 Jahre, wohnt im Viertel. Die Autorin schreibt Lyrik und Prosa, Editionen, Radiofeatures und Dokumentarfilme und lebt seit den 70er Jahren in Bremen. Inzwischen ist sie freiberuflich tätig, da sie bereits seit einiger Zeit in Pension ist. Bis heute hat sie bereits zehn Lyrikbände herausgebracht, zuletzt das von Günther Gerlach illustrierte Prager Tagebuch, in dem sie ihre Erlebnisse und Eindrücke in Prag literarisch verarbeitet. Derzeit läuft eine Ausstellung zum Buch, bei dem auch Gerlachs Illustrationen zu sehen sind.  Früher arbeitete sie als Redakteurin in der Hörspielredaktion des Deutschlandfunks in Köln und als Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule Bremen.

 

Weitere Informationen

 

Das Prager Tagebuch von Inge Buck ist im Sujet Verlag, Bremen, 2018 erschienen. 70 Seiten, 16,80 Euro. Die Ausstellung der Zeichnungen von Günther Gerlach ist noch bis zum 04. Juli im Haus Paula Becker an der Schwachhauser Heerstraße 23 zu sehen. 


WESER KURIER BREMEN - 22.03.2018

Inge Bucks "Prager Tagebuch"

Eine kleine Reise auf Papier

Alexandra Knief

 

Prosa trifft auf Lyrik in Inge Bucks neuem Buch "Prager Tagebuch", das im Bremer Sujet Verlag erschienen ist.

Die in Bremen lebende Autorin Inge Buck nimmt ihre Leser in ihrem "Prager Tagebuch" mit auf eine Reise in die Goldene Stadt.

Mit ihrem neuen Buch zollt die Bremer Autorin Inge Buck einer Stadt Tribut, die, wie sie es selbst erlebt hat, auch bei denen für Euphorie sorgt, die noch nie da waren: Prag. In ihrem „Prager Tagebuch“ versammelt sie Gedanken zu ihrer Reise in die Goldene Stadt als Stipendiatin des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren im vergangenen Jahr. Eben wie in einem Tagebuch, gespickt mit Lyrik und dunklen Pinselzeichnungen des Künstlers Gunther Gerlach.

Buck erzählt in kurzer Prosa davon, wie sie Prag erkundet – im ersten Teil des Buches von Bremen aus, per Internet und Reiseführern. Sie berichtet von ihrer Vorbereitung, davon, wie sie recherchiert, liest, sich Strecken heraussucht und Prags Geschichte studiert. Wie sie sich wichtige Sätze auf Tschechisch übersetzt, mehr über das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen lernt. Sie beschreibt, wie sie sich an das fremde Geld gewöhnt, sammelt Informationen zu den darauf abgebildeten Persönlichkeiten tschechischer Geschichte.

Der zweite Teil dreht sich um die Anreise und die Zeit vor Ort. Bildhaft beschreibt Buck die Aussicht von ihrer Prager Wohnung aus, schildert den Lärm der Stadt, erzählt von ihrer Reise nach Lidice. Wer schon einmal in Prag war, hat fast das Gefühl, Inge Buck auf ihrer Reise zu begleiten. Buck saugt nicht nur die Eindrücke dieser faszinierenden Stadt mit Stift und Papier auf, sie beobachtet auch Touristen, deren Smartphones den Blick auf die Umgebung vernebeln. Der ¬Leser erlebt Prag in Wort und Schrift, mit seinen Sehenswürdigkeiten, seinen Friedhöfen, seinen berühmten Kindern, seiner Multikulturalität. Eine kleine Reise auf Papier.

 

Inge Buck: Prager Tagebuch. Sujet, Bremen. 70 Seiten, 16,80 €


WESER KURIER BREMEN - 27.10.2016


ROTENBURGER NEUE PRESSE - 19.12.2015

Unter dem Schnee

Deutsch-persische Lesung in Rotenburg

 

ROTENBURG. Am Mittwoch, 20. Januar, 19 Uhr, gibt es in der Rotenburger Cohn-Scheune eine deutsch-persische Lesung mit Bildern und Musik. Titel: Unter dem Schnee.

Bild Links: In der Cohn-Scheune am Kirchhof findet die Lesung statt Foto: Woyke

„Durch die Gedichte der Bremer Lyrikerin Inge Buck weht die Zeit, sie wiegen sich in Augenblicken und handeln doch von Grundfragen des Lebens“, heißt es erklärend in der Einladung. Buck war als Literatur- und Theaterwissenschaftlerin an der Hochschule Bremen tätig. „Unter dem Schnee“ ist ihr zehnter Lyrikband. Von diesen „hochkomprimierten und dabei zugänglichen“ Gedichten ließ sich die Künstlerin Monica Schefold zu zeichnerisch filigran ausgestalteten Collagen anregen. Jene sind schon jetzt im Vorfeld der Lesung in der Cohn-Scheune zu sehen.

Madjid Mohit, Verleger des Sujet Verlags in Bremen, hat das Wagnis unternommen, die Gedichte ins Persische zu übertragen, und wird einige seiner Übersetzungen lesen. Mohit, 1990 als Flüchtling aus Teheran nach Bremen gekommen, wurde gerade mit dem renommierten Hermann-Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums geehrt. 2014 war er, damals zusammen mit der Autorin Schirin Nowrousian, schon einmal in der Cohn-Scheune zu Gast.

Der Dialog zwischen Gedichten, Sprachen und Bildern wird an dem Abend von Marcus Wesche, Stapel, mit der Laute musikalisch begleitet.


WESER KURIER BREMEN - 25.11.2015


WESERKURIER BREMEN - 25.10.2015

ANTHOLOGIE

Wie Autoren dem Krieg Leidenspoesie abringen

 

Einen berührenden Band hat Inge Buck herausgegeben. Er versammelt Lyrik und Prosa Bremer Autoren, die schmerzlichen Kriegserinnerungen Poesie abringen (neben Inge Buck: Mathias Groll, Lisa Helms, Ursula Ziebarth, Siegfried Marquardt, Christine Mattner, Hartwig Struckmeyer, Karl-Heinz Tauss).

 

Gemeinsam ist den Beiträgen die Perspektive jenes Kindes, das die Verfasser waren, als Sirenen von Fliegeralarm kündeten. Oft sind es der Netzhaut der Beobachter schier eingebrannte Details (in denen bekanntlich Teufel stecken), die zur Sprache kommen. Es ist diese „Andacht zum Unbedeutenden“ (Walter Benjamin), zum bloß vermeintlich Randständigen, die die Texte beglaubigt und nobilitiert.

Hendrik Werner

 

Inge Buck (Hrsg.): Aus dem Gepäck der Kriegskinder – im Zweiten Weltkrieg.

Edition Falkenberg, Bremen. 159 Seiten, 14,90


TAZ Nord - 10.10.2015


WESERKURIER BREMEN - 31.05.2015

LYRIK

Inge Bucks präzise Preziosen

 

Der Bremer Sujet-Verlag hat mit Inge Bucks neuem Gedichtband „Unter dem Schnee“ erneut ein literarisches Juwel veröffentlicht. Buck vermag es, in ihren wie hingehauchten Wenigzeilern eine komplette Welt vor dem inneren Auge des Lesers aufzubauen: „Mitten im Krieg/sitzt ein Mensch/auf der anderen Seite/ des Erdballs/und angelt“. Ihre präzisen Preziosen sind stets umweht von leichter Melancholie, die durch Collagen von Monica Schefold noch unterstrichen wird. Das Bändchen wird zudem geschmückt durch die Übersetzungen von Bucks Gedichten ins Persische – für den, der die Sprache nicht beherrscht, sind die eleganten Schriftzeichen eine zusätzliche Augenweide.

Inge Buck liest am 1. Juni, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung Leuwer.

Iris Hetscher


TAZ DIE TAGESZEITUNG - Nord-Kultur - Samstag/Sonntag 30./31.05.2015

Sich verwebende Luftwurzeln

INTERNATIONALE BUCHKUNST "Unter dem Schnee" ist ein schwäbisch-persisches Gemeinschaftswerk aus Lyrik und Collage, das hier von einem Juristen gewürdigt wird.

VON JOHANNES FEEST

 

Normalerweise geht es bei einer Buchvorstellung um eine Person: den Autor oder die Autorin. Bei "Unter dem Schnee" sind drei Personen am Gelingen des Werks beteiligt. Neben Inge Buck, die Autorin der 28 Gedichte, treten Monica Schefold, eine Künstlerin, die die gleiche Zahl von Collagen beigesteuert hat, und Madjid Mohit, der die Gedichte ins Persische übersetzt hat.

Mohit stammt aus einer iranischen Verlegerfamilie und kam 1990 als politischer Flüchtling nach Deutschland. Eigentlich wollte er nach Kanada. Aber der Bundesgrenzschutz hinderte ihn daran, wofür wir der Bundespolizei nachhaltigen Dank schulden. Wenige Jahre später gründete Mohit den Sujet-Verlag. Zu Mohits selbstdefiniertem Sujet wurde die "Luftwurzelliteratur". Dazu schreibt er im Vorwort von "Unter dem Schnee": "Luftwurzeln halten sich nicht an Grenzen, sondern wachsen über sie hinaus. Sie verankern sich nicht nur an einem Ort, sondern an mehreren. Sie sind beweglich, lebendig und reagieren auf ihre Umwelt. Auch Menschen schlagen Luftwurzeln. Sie reisen, wandern aus, flüchten. Sie lassen ihre Heimat hinter sich und finden eine neue. Sie fühlen sich nicht nur an einem Ort zugehörig, sondern an mehreren, sie verfügen über eine komplexe kulturelle Identität."

Das Bild ist so poetisch wie genau. Poetisch, weil das Wort die Luftigkeit der Künste evoziert. Es ist genau, weil der botanische Begriff der Luftwurzel daran erinnert, dass Verwurzelung nicht ausschließlich in der (Heimat-)Erde erfolgt, sondern das die Natur andere, wunderlichere Formen dafür entwickeln kann.

In den letzten knapp 20 Jahren hat Madjid Mohit vor allem Autoren publiziert, die aus anderen Teilen der Welt stammen, aber hier leben und auf Deutsch schreiben. Er hat aber auch immer wieder Werke "bio-deutscher" Autoren veröffentlicht. "Unter dem Schnee" bedeutet ein Novum für ihn: die Veröffentlichung neuer Gedichte einer deutschen Schriftstellerin in einer zweisprachigen Ausgabe.

Der Begriff "Luftwurzeln" trifft übrigens auf seine Weise nicht nur auf Madjid Mohit zu. Monica Schefold ist in Deutschland geboren, aber in Irland aufgewachsen, wohin ihre Eltern sich aus Nazi-Deutschland zurückziehen mussten. Sie ist auf langen Umwegen nach Deutschland zurückgekehrt. Ihre Zugehörigkeit zur Luftwurzelkunst kann kaum bestritten werden; man könnte sogar sagen, dass sie über ein doppeltes System von Luftwurzeln verfügt, das ihr ermöglicht, in Irland als Deutsche und in Deutschland als Irin zu überleben. In Bremen ist sie seit 1980 zu Hause. Das Material ihrer Kunst ist vielgestaltig und beruht nicht zuletzt auf der langjährigen Praxis, Flohmärkte zu besuchen. Zuletzt hat sie sich ganz auf die Collage konzentriert. Gerd Sautermeister hat ihre Collagier-Kunst präzise auf den Nenner gebracht: "Sie fesseln den Betrachter, weil sie ihre Bedeutung nicht unmittelbar zu erkennen geben, sondern zunächst einmal verbergen."

Auch in dem hier vorgestellten Buch sind Schefolds Collagen nie Illustrationen der Gedichte. Sie stehen vielmehr selbstständig neben diesen. Manchmal lässt sich ein assoziativer Zusammenhang zu den Gedichten herstellen. Etwa wenn in einer Collage Herbstlaub zu sehen ist und die flankierenden Gedichte den Herbst thematisieren. Aber in den meisten Fällen ist es schwer möglich, eine solche konkrete Beziehung zu den Texten herzustellen. Zarte Libellenflügel vor einem hochaufragenden Berggipfel lassen den Betrachter ebenso fasziniert wie irritiert verweilen. Solche Collagen stehen für sich und schaffen Momente der Ruhe, in der die Gedichte nachwirken können.

Inge Buck ist in Süddeutschland aufgewachsen, hat in Tübingen, München und Wien studiert. Nach ihrer Promotion war sie Redakteurin beim Deutschlandfunk in Köln. An der Hochschule Bremen war sie als Kulturwissenschaftlerin tätig. Aber wo bleiben hier die Luftwurzeln? Hier muss ein erweiterter Begriff des Luftwurzeltums zur Anwendung kommen, der vor allem darauf beruht, dass auch im föderalen deutschen System ein erhebliches Maß an Luftverwurzelung erforderlich ist, jedenfalls dann, wenn es einen in andere, wesensfremde, Landesteile verschlägt.

In ihrem zehnten Band vereinigt Buck Gedichte, die hochkomprimiert und zugleich äußerst zugänglich sind. "Unter dem Schnee" ist zugleich der Titel eines der Gedichte. Man könnte meinen, dass es sich um Winter-Poesie handelt. Aber Frühling, Sommer und Herbst kommen ebenfalls zu ihrem Recht. Und es ist auch keine reine Naturlyrik. Vielmehr schlägt die Betrachtung einfachster Naturphänomene ("Wind", "Frühlingsvogel", "Stein", "Gras") regelmäßig in Überlegungen über Leben, Liebe, Vergänglichkeit und Tod um.

Im Titelgedicht befinden sich unter dem Schnee zunächst die Toten, in zweiter Linie ist es (immer noch ganz realistisch) das Gras vom Vorjahr. Aber in dritter Linie sind es "meine Liebesbriefe | aufbewahrt | unter dem Schnee | für dieses Jahr". Es ist der Schnee von gestern.

Schon bei vorangegangenen Gedichtbänden haben manche die Nähe der Gedichte Bucks zu Haikus und anderen lyrischen Kurzformen vermerkt. Mohit schreibt im Vorwort, dass einige der Gedichte ihn an Omar Khayyam erinnern. Ein höheres Lob ist aus persischem Mund für eine deutsche Dichterin schwerlich vorstellbar.

Lesung: Montag, 19.30 Uhr, Buchhandlung Leuwer

"Erinnerung an Omar Khayyam": Ein höheres Lob ist aus persischem Mund für eine deutsche Dichterin schwerlich vorstellbar

Johannes Feest

war von 1974 bis 2005 Professor für Strafverfolgung, Strafvollzug und Strafrecht an der Universität Bremen. Der abgedruckte Text ist ein Auszug aus seiner Lesungs-Laudatio.


WESER KURIER BREMEN - 08.07.2014

Oktoberlicht" im Juli: Bremer Autorin Inge Buck legt neue Lyrik vor.

Lesung am nächsten Dienstag

Verse über Vergänglichkeit

Von Hendrik Werner

 

Bremen. Wer in Tübingen geboren worden ist, ebenda sowie in München und Wien studiert hat, um hernach in Köln und Bremen zu arbeiten, hat ein Ohr für regionale Zungenschläge im deutschsprachigen Raum – und ein Auge für das, was zwischen den Zeilen steht. Weil Inge Buck viel herumgekommen ist in ihrer akademischen und beruflichen Vita, kommt – zumal bei Lektüre ihrer poetischen Texte – viel rum. Lust- und Erkenntnisgewinn des Lesers halten sich dabei wohltuend die Waage. Jetzt legt die auf Gedichte, Hörspiele und Dokumentarfilme abonnierte Autorin und Journalistin einen neuen Band mit atmosphärisch dichten Versen vor. In "Oktoberlicht" (Sujet-Verlag) zeigt die "große alte Dame der Bremer Lyrikszene" (taz), dass sie ihre Arbeitsmaxime nicht von ungefähr einem melancholischen Bonmot des Kulturphilosophen Siegfried Kracauer abgelauscht hat: "Denn das Gestaltete kann nicht gelebt werden, wenn das Zerfallene nicht eingesammelt und mitgenommen wird."

In mal empfindsamen, mal aufbegehrenden Miniaturen inspiziert Inge Buck das Weben der Erinnerung und die zerstörerische Kraft des Vergessens, den Mahlstrom der Zeit und die Verführungsmacht der Jahreszeiten. Ihre kompakten lyrischen Reminiszenzen, die um Vergänglichkeit kreisen, geben Vergangenes nicht verloren, sondern versuchen es zu retten. Zeugnis von ihrer Bewahrungsstrategie legt Buck am nächsten Dienstag bei einer Lesung ab.

Inge Buck: Oktoberlicht. Sujet, Bremen. 86 Seiten, 14,80.


TAZ NORD - 04.07.2014

Die Beharrliche

 

Dass die große alte Dame der Bremer Lyrikszene eine Sprachmelodie hat, die dezent zwischen schwäbisch und ostfränkisch oszilliert, zeigt Zweierlei: Die Kultur des calvinistischen Bremen lebt noch immer von Zuwanderung aus dem Katholischen. Und: Inge Buck hat sprachliche Qualitäten, die sich überall durchsetzen.

Die beweist sie zum wiederholten Mal in einem Band, der "Oktoberlicht" heißt, aber Mitte Juli vorgestellt wird. Ist das die subtile Art, in der zeitgenössische Lyrik auf den Klimawandel reagiert? Tatsächlich reflektiert Buck in einigen ihrer Texte das Aufweichen der Jahreszeiten. Doch beim Erscheinungsdatum hat sie sich eher den Verlagsbedürfnissen angepasst. Sie war eine der ersten Bremer Autorinnen, die den von Madjid Mohit gegründeten Sujet Verlag unterstützten. Der iranische Asylbewerber begann mit dem Druck von Pizzaflyern, heute ist er Bremens wichtigster Verleger unter anderem für Lyrik - nicht zuletzt dank Inge Buck.

Buck mag Beharrlichkeit, Widerständiges. Ihr Stil ist konzentriert, teils stenografisch bis hin zur Stichworthaftigkeit - und trifft dennoch ganze Stimmungs- und Lebenswelten. Etwa die des Dichters Montaigne, der erst nach einem fast tödlichen Reitunfall zu schreiben begann. Buck taucht tief in Biografien ein, wie die der 116-jährigen Japanerin Misao Okawa, deren Leben sie zu einem intensiven Achtzehnzeiler kondensiert.

Bucks Heimat ist flach wie die hiesige Tiefebene, nur 600 Meter höher gelegen. Das Hohenloher Land, durch das sie in ihren Texten mit ihrem betagten Vater wandert: "Ich brauche keinen Stock", sagt der, "das ist was für alte Leute." Da war er bald 101. Bis dahin hat seine Tochter noch ein Vierteljahrhundert. Sie wird Krähen bewundern und Kakteen gießen. Und tief eindringende Texte schreiben.

Henning Bleyl


THEATER LÜNEBURG - 22.05.2013

P R E S S E M I T T E I L U N G

 

Kurzdramen- und Autorenwettbewerb SALZ 3: Die sechs Stücke, die uraufgeführt werden, stehen fest / Autoren aus Hamburg, Bremen, Wien, Köln und Berlin / Festival am 08. & 09.06.2013

Carsten Brandau, Inge Buck, Clemens Füsers, Jörg Isermeyer, Bernd Watzka und Katharina Wild – das sind die Autoren, deren Stücke im Rahmen des Festivals SALZ 3 am 8. und 9. Juni uraufgeführt werden. Die zweiköpfige Jury kürte aus mehr als 230 Einsendungen die sechs Kurzdramen, die in das Rennen um den von der E.ON Avacon AG gestifteten Ersten Preis sowie den undotierten Publikumspreis gehen. Das Kurzdramen- und Autorenfestival findet zum dritten Mal statt. Es wurde von Sabine Bahnsen, der Leiterin der Kinder- und Jugendbühne T.3 am Theater Lüneburg, ins Leben gerufen.

VOR DER TÜR von Inge Buck

Eine Frau hat sich in der Bahnhofstoilette eingeschlossen – und vor der Toilettentür beginnt ein kleines Welttheater. Junge Reisende, alte Reisende, Anwohner, Streetworker, Rollstuhlfahrerinnen, Polizisten … alle kommen vorbei und haben natürlich etwas zu sagen über die abwesende Frau, die kaum einer je gesehen hat. REGIE: Sigrid Meßner

INGE BUCK wurde in Tübingen geboren und schloss ihr Literatur- und Theaterwissenschaftsstudium in Tübingen, München und Wien mit Promotion ab. Sie war Redakteurin beim Deutschlandfunk und lehrte im Bereich Kulturwissenschaften an der Hochschule in Bremen. Aktuell lebt und arbeitet sie als Autorin in Bremen und Süddeutschland. Ihre Arbeitsgebiete sind Lyrik, Kurzprosa, Hörfunk-Feature und Hörbild, Biografie, Edition und Dokumentarfilm.


WORTNETZ - 01/ 2012

VOM BEHERRSCHEN DES SOMMERS

Inge Bucks Lyrik/Prosaband "Kardendistel"

Sabine Prilop

 

Die Kardendistel ist eine imposante Pflanze. In den Trichtern der Blätter sammelt sich nach dem Regen Wasser und dient Vögeln und Insekten als Tränke. In Inge Bucks Buch begegnet man ihr im Coverfoto, das einen getrockneten Blütenstand zeigt. Die Dichterin – und daran lässt sie ihre Leser teilhaben – trifft auf die Kardendistel beim täglichen Spaziergang mit ihrem einhundert Jahre alten Vater. Das berührt. Wie nebenbei erwähnt, spielerisch, mit leichter Hand, brennt sich das Bild der Pflanze ein. Eine Kardendistel, sagt der Vater.

Dieses Zitat findet sich in einem der Prosatexte dieses erstaunlichen Bandes. Erstaunlich deshalb, weil er auf 72 Seiten eine ganze Welt offenbart. Es ist die Welt der Dichterin und weist doch weit über sie hinaus.

Der Leser reist mit der Autorin. Die Reise führt nach Salzburg, in die "gebirgige Stadt" oder an einen Ort sechshundert Meter über dem Meer. Dort kämpfen die Menschen in trockenen Sommern einen Kampf um Wasser, der sie der Worte beraubt. Als Kontrast hierzu nimmt uns Inge Buck mit in die Natur, geleitet uns im Regen an die Ufer der Schlei oder im Frühling an Vorgärten vorbei durch den Tag. Immer wieder tauchen Vögel auf, deren Freiheit sie beschwört.

Wir betreten Literaturarchive und studieren gemeinsam Kleists Briefe und Trakls Handschrift. Im "Museum der Melancholie", so die Kapitelüberschrift, erinnert Inge Buck uns an Frida Kahlo, Nelly Sachs und Max Ernst.

Melancholie liegt auch über anderen Texten und erinnert an die Abschiedsstimmung erster Herbsttage. Mit nur zwei Gedichten gelingt es der Autorin, das Leben ihrer Mutter bis hin zu deren Tod zu skizzieren. Gerade das, was zwischen den Zeilen erzählt wird, erzeugt meisterlich Stimmungen und Schwingungen.

Weit mehr als Melancholie – Ängstlichkeit, Entbehrung, aussichtslose Gefühle – schildert der Prosatext "Fluchtwege". Atemlos folgt man einem Kind hinter die Mauern einer Klosterschule. Beinahe körperlich spürt man die Fesseln des kargen Lebens, der Beschränkungen, die Beschneidung der Eigenständigkeit. Die gereifte Frau, die an diesen Ort ihrer Kindheit zurückkehrt, möchte man seine Betroffenheit mitteilen, mehr erfahren über diesen Platz und das, was hier gelebt wurde. Ganz selten habe ich einen kurzen Prosatext von derartiger Eindringlichkeit gelesen, noch nie einen nachhaltigeren.

Anders als sonst bei lyrischen Veröffentlichungen empfehle ich, diesen Band nach dem ersten Aufschlagen in Gänze durchzulesen. So entfaltet sich der Reichtum eines Lebens, von dem wir das Glück haben, es in poetischen Texten vor Augen geführt zu bekommen. Bei aller bei einer Buchempfehlung gebotenen Sachlichkeit: Inge Buck darf man dankbar sein für dieses Werk.

(Sabine Prilop)


WESERKURIER - 12.02.12

Erinnerungen in Worte fassen, Gefühle, Gerüche, Empfindungen aus vergangenen Zeiten in die Gegenwart übertragen – die Bremer Autorin Inge Buck stellt sich dieser Aufgabe in ihrem jüngsten Prosa- und Lyrikband...

Eine Reise in die Jugend hinter abgelegenen Klostermauern, Erinnerungen an Spaziergänge mit dem Vater oder an die Wasserknappheit in einem südlichen Dorf, frühe Lektürebegegnungen mit Kleist, Trakl und Peter Paul Zahl.

In den Gedichten und kurzen Prosatexten Inge Bucks besticht die Fähigkeit der Autorin, in sorgfältig ausgesuchten Worten und Bildern Stimmungen zu erzeugen. Ihre subjektiven Erfahrungen werden zu Bildern in den Köpfen der Leser, die alle Sinne ansprechen, die Gefühle hervorlocken. Die Macht der Worte – hier spürt man sie in jeder Zeile. (pg)


SÜDWESTPRESSE - 05.01.12 Ursula Richter

Erfahrung mit Hochliteratur als roter Faden

 

Apart und ein bisschen widerspenstig wie die gleichnamige Pflanze gibt sich Inge Buck in ihrem neuen Lyrik-und Prosaband "KARDENDISTEL".

Gerabronn - Dr. Inge Buck ist die Tochter des 2008 im Alter von 101 Jahren gestorbenen Arztes Dr. Helmut Buck – eine Legende in Gerabronn. Seine Tochter erzählt in einem der Prosatexte von einem Spaziergang mit dem damals 100 Jahre alten Vater. Achtsame Wahrnehmung lag offenbar in der Familie. Sorgfältig werden die Vogelstimmen registriert. Die Pflanzen am Wegrand erfahren kenntnisreiche Zuordnung. Eine KARDENDISTEL, wie sie in unserer Landschaft häufig zu finden ist, fasst den Moment zusammen und wird titelgebend nicht nur für die Miniatur. Es ist eine einfache, karge Erscheinung mit geringen Ansprüchen, die überall gedeiht. Ihre zusammengewachsenen Blätter wirken wie eine Zisterne. Der in ihnen gesammelte Tau und das Regenwasser dienen kleinen Tieren zur Wasserversorgung.

Wie sorgsam man mit Wasser hat umgehen müssen, ist eine eindrückliche Erfahrung der 1936 geborenen Literaturwissenschaftlerin. In "Sechshundert Meter über dem Meeresspiegel"schildert sie in einfachen Worten die sommerliche Wasserknappheit in den Dörfern vor Einführung der Bodenseewasserversorgung 1954. Die Wassernot wird zum lebensgestaltenden Element.

Kargheit und Strenge prägen die Jugendjahre der Autorin. Das Internat Lichtenstern wird für sie zu einem Ort, dessen Schilderung an Hermann Hesses "Unterm Rad" gemahnt. Eine Art stille Verzweiflung spricht aus den Erinnerungen bei der Wiederbegegnung mit dem Klostergebäude.

Die Sammlung von Gedichten und Geschichten bietet auch andere Aspekte. Der kleine Band ist in hellen Blautönen gehalten. Die Kardendistel selbst erblüht in einem unvermutet strahlenden Blau. In einem Kapitel, das die Lyrikerin "Die Freiheit der Vögel" nennt, ist von der Mutter die Rede. Von Vögeln, deren Stimmen wie im "Taubensommer" immer wieder aufhorchen lassen.

Und wie ein roter Faden zieht sich die Erfahrung mit der Hochliteratur in Halbsätzen und als Schemen durch die Texte. Das Rettende der Dichter, die sich wie Friedrich Schiller auf "Der Reise nach Leipzig" befinden oder aufblitzen in dem Satz "es ist alles ganz eitel". Andreas Gryphius lehrt uns, dass damit die Vergänglichkeit gemeint ist. Für Inge Buck sind sie gegenwärtig.

Info Erschienen ist das Buch im Bremer Donat Verlag,

ISBN-Nummer 978-3-938275-99-3, für 10 Euro.


TAZ.DE, DIE TAGESZEITUNG - 03.12.11

Rau, ohne zu reißen

Lyrik & Prosa "Kardendistel": was Inge Buck mit Billardtischen verbindet

Von HENNING BLEYL

 

Ob Inge Buck gern Billard spielt, weiß ich nicht. Aber ich kenne eine Gemeinsamkeit der beiden: die Leidenschaft für Kardendisteln. Mit großer Empathie hat Inge Buck ihr jüngstes Buch nach dem Stachelgewächs benannt. Und Billardtische? Haben keine Leidenschaften, aber Herstellungsnotwendigkeiten: Die dornenförmigen, elastischen Spitzen des getrockneten Fruchtstands der Kardendistel sind sehr geeignet, um die Oberfläche von Wollgeweben aufzurauen - ohne sie zu zerreißen. Es wird eine flauschige Oberflächenstruktur erzeugt, die den Stoff veredelt. Viel Aufwand, aber unerlässlich für den permanent von Queues attackierten Filz der Billardtische.

 

Die Kardendistel, deswegen auch Weber-Karde genannt, ist eine zweijährige Pflanze. In einem ähnlichen Rhythmus erscheinen Inge Bucks Lyrik-Bände, wobei die bis dato jüngsten, "Märzlicht" und "Strand-Gut", sogar Einjahresgewächse sind. Bei der Weber-Karde stehen die Hüllblätter waagrecht ab, ihre Spreublätter sind starr, unbiegsam und an der Spitze nach rückwärts gekrümmt.

Wie sind Inge Bucks Gedichte?

Konzentriert. Nie weitschweifig. Dicht wie ein Dorn und eindringlich wie eben jener, dabei aber mit elastischem Schwung gesegnet - schließlich muss jede Analogsetzung zwischen Na- und Kultur mal in ihre Schranken gewiesen werden. Inge Bucks Gedichte sind also nur begrenzt mit Kardendisteln vergleichbar, allein die Rückwärtsgewandtheit der Blätter ließe sich noch auf das biografische Schürfen beziehen, das Buck in Texten wie "Im Kloster" unternimmt.

 

Seit Kurzem wohnt die frühere Klosterinternatsinsassin Inge Buck wieder auf monasterischem Boden, allerdings auf längst säkularisiertem. Erlebt man Inge Buck auf ihrer Dachterrasse beim Paulskloster, also mitten im Milchquartier, eingerahmt und eingelaubt von einem Ahorn, ist ihre Naturbezogenheit sehr spürbar. Die Stofflichkeit der Pflanzen ist Futter für ihr Schreiben.

 

Bucks Lyrik stützt sich wesentlich auf starke Substantive. Wie aber werden verbarme Verse zu dynamischen Gedichten? Bucks stenografischer Stichwort-Stil - das ist jetzt eine etwas zugespitzte Zuschreibung - versetzt den Lesenden in Schwingung, in dem er aus dem Wegfall von Überflüssigem Drive entwickelt und in seiner geradezu konstituierenden Kurzzeiligkeit pulsierende Rhythmen generiert. Taktak, taktaktak, tak.

 

Inge Buck ist eine haptisch Schreibende. Auf dem Boden ihres Arbeitszimmers in der Mansarde steht eine wuchtige Schreibmaschine, sie wolle "den Widerstand in den Fingern spüren", sagt die 74-Jährige, offenbar auch kratzendes Vibrieren am Handteller: Gänse- und Krähenfedern gehören ebenfalls zu Bucks Dichtbesteck. Sie interessiert sich für die körperliche Kraft, die solches Schreiben erfordert. Und studiert Kleists Manuskripte: "Stockender Tintenfluss / in dürftiger Unterkunft / ganze Seiten gestrichen / in kleiner Schrift / Dein Heinrich."

Der Titel-gebende Text von "Kardendistel" ist Prosa - keine Selbstverständlichkeit für einen Band, der überwiegend lyrisch angelegt ist. "Kardendistel" beschreibt einen Spaziergang auf der Hohenloher Hochebene, Bucks Heimat, und beginnt so: "Fast täglich gehe ich diesen Weg. Ich gehe ihn mit meinem Vater. In diesem Sommer ist er hundert Jahre alt geworden. Er sagt, dass er noch auf eigenen Beinen gehen kann. Er sagt, ich brauche noch keinen Stock, das ist was für alte Leute." Sowohl die Distel als auch ihr Vater haben für Inge Buck etwas mit Widerständigkeit zu tun. Mit der Fähigkeit, auf kargen Böden fest zu wurzeln.

 

Diese Distel, auch Rau-, Woll- oder Tuchkarde genannt, gehört zur Familie der Geißblattgewächse. Buck wiederum gehört zum EmpfängerInnnen-Kreis des Robert-Geisendörfer-Preises, ferner war sie Stipendiatin der Stadt Amsterdam. In ihrem Zweitmedium Radio - Buck arbeitete lange für den Deutschlandfunk in Köln - wurde sie von Harro Zimmermann kürzlich ob ihrer "bedachtsam erkundeten Worträume und zarten poetischen Sprachgespinste" als Besitzerin "einer treuen und zahlreichen Verehrergemeinde" vorgestellt.

 

Nun mag man als LesendeR denken: Wieder so ein unkonkret-kulturjournalistisches Geschwurbel, für das ja auch der vorliegende Text Beispiele bietet. Bucks Texte hingegen sind tatsächlich gut.


NORDWESTRADIO, LITERATURZEIT - 12.11.11

Die Schriftstellerin Inge Buck besitzt in Bremen und Umgebung eine treue und zahlreiche Verehrergemeinde. Wo und wann immer sie auftritt und aus ihren kleinen, fein getönten Büchern liest, zumeist Gedichte und Prosaminiaturen, stellt sich ein unverwechselbarer Sound ein, lassen sich die Zuhörer gern mitnehmen in bedachtsam erkundete Worträume und zarte poetische Sprachgespinste. Erinnerungsbilder, pastellfarbene Stillleben, Reiseminiaturen, Wehmutsanwandlungen, manchmal pointilistisch, manchmal im bewegten Prosarhythmus, die Poesie der Inge Buck hat etwas Unverkennbares.


NORDWESTRADIO, LITERATURZEIT - 10.12.06 Dr. Gudrun Boch

Inge Buck, An diesem Tag, Gedichte. Zeichnungen Marietta Armena. Sujet Verlag Bremen 2006.

 

Haben Sie schon einmal versucht, das Meer zu umarmen? Wer behauptet dieses zu tun, ist nicht bei Vernunft, sondern bei einem poetischen Akt. Das lyrische Ich in Inge Bucks dreizehnteiligen Zyklus mit dem Titel "An diesem Tag" darf ihn vollziehen:

 

Tag 9

 

An diesem Tag

umarmte ich das Meer

ein bleicher Fisch

Kieselsteine

unter mir

im Mund

Salz

 

Was geschieht in dieser Umarmung? Bringt sie Erfüllung oder Tod? Oder beides? Die Antwort erhalten wir nicht. Wir, die Leser oder Hörer können der Wärme und Nähe zuneigen, die das Wort Umarmung suggeriert , oder Todesnähe empfinden durch die Nennung des bleichen Fisches, wir können uns für die Härte des Kieselsteins entscheiden oder für die Weichheit des Mundes, für die Schärfe und Bitterkeit des Salzes oder für seine lebenserhaltende Qualität. Doch das Gedicht auf ein Entweder Oder festzuschreiben hieße, ihm Gewalt anzutun, es zu entzaubern, seiner Polyvalenz zu berauben. Der Gefahr eindimensionaler Interpretation der Texte muss sich auch Marietta Armena bewusst gewesen sein, als sie für diesen Gedichtband ihre Zeichnungen schuf. Es ist ihr fabelhaft gelungen, einen Grundton der lyrischen Aussagen aufzunehmen und in der eigenen Bildwelt neu zu erschaffen. In ihrer Darstellung der Meeresumarmung schließen umfangende Arme einen Kreis, der wie eine bleiche Mondspiegelung die Bewegung des Wassers und der Fische ins Unendliche fortsetzt. Die spannungserzeugende Ambivalenz des Gedichts ist hier aufgehoben in der Form des Kreises, ist in ihm zur Ruhe gebracht. Nach Ruhe und Rundung streben viele Gedichte dieses neuen Bandes von Inge Buck. Auffallend oft erscheinen die Wörter regungslos, bewegungslos, unbeweglich, vom Stillstand der Zeit ist die Rede , einmal auch von der sanften Rundung der Erde. Es gibt auch ein Gedicht vom Wind, von seinen Bewegungen aus allen Himmelsrichtungen, doch auch hier schließt sich ein Kreis, ein Zyklus ohne Anfang ohne Ende.

 

Eine lange Geschichte

 

Eine lange Geschichte

vom Wind erzählen die Silberpappeln

am See

Geschichten vom Abendwind

und vom Morgenwind

vom Sturm

vom Orkan

von der Windstille

von seltenen Winden aus dem Süden

vom zuverlässigen Nordwind

vom meergesättigten Westwind

vom eisigen Ostwind

Kein Anfang

kein Ende

Der Sprache der Blätter

höre ich zu

Das lyrische Ich entzieht sich den widerstreitenden Stürmen, findet zu sich in der Sprache.

Am radikalsten vielleicht behaupten sich die Gegensätze von Geborgenheit und Ausgesetztsein, von Ruhe und Unruhe, Frieden und Unfrieden in dem Gedicht "Mitten im Krieg"

Mitten im Krieg

sitzt ein Mensch

auf der kriegsabgewandten Seite

des Erdballs

und angelt

 

Die früheren Gedichtbände von Inge Buck haben, mehr als dieser es tut, zu benannten Emotionen hingelenkt . Vielfach bezeugten ihre Wörter Trauer, Melancholie, Vergeblichkeit und Vergänglichkeit. Auch die neuen Gedichte leugnen solche Empfindungen nicht, überlassen aber dem Leser zu erfühlen, was die Wörter bei ihm hervorrufen, wohin sie ihn führen

 

Wo

 

Wo

gehe ich hin

in die Luft

ins Wasser

unter die Erde

Wohin

Kreislauf des Lebens. In ihm heben sich schließlich alle Gegensätzlichkeiten auf, Gegensätzlichkeiten, die der Band in vielen Spielformen variiert, selbst in dem kleinen Prosatext , der von Ameisen und Schildläusen handelt, rastlos arbeitend die einen, reglos verharrend die anderen.

Texte und Bildgestaltung finden in diesem schönen Buch zu einer Einheit, machen es bewohnbar – bewohnbar wie ein offenes Haus ohne Dach, ohne Wände :

Das Haus

worin ich wohne

ist unbewohnbar

ich kann

es nicht verlassen

weil es das Haus ist

worin ich wohne